Der Nürnberger Christkindlesmarkt

Wenn Anfang November die Gemüse- und Obststände vom Hauptmarkt wegziehen und Handwerker die vorerst schmucklosen, braunen Buden mit Geklopfe und Gehämmer aufbauen, kann sich der Nürnberger schon mal rechtzeitig innerlich wappnen vor dem großen Sturm. Am Freitag vor dem ersten Advent wird Nürnbergs vorweihnachtliches Spektakel namens Christkindlesmarkt eröffnet.
Hunderttausende Menschen reisen mit Omnibussen, Sonderzügen und Sonderflügen alljährlich in der Vorweihnachtszeit an, um das weltberühmte „Städtchen aus Tuch und Holz" zu erleben. Und wenn die Nürnberger über die vermeintliche Touristenflut gelegentlich schimpfen, so gehört doch auch für sie ein Gang durch die Budenstadt zum traditionellen Adventserlebnis. Diese vorweihnachtliche Verkaufsmesse lässt sich bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen. Historiker nennen derzeit jedoch das Jahr 1628 als ersten Nachweis des Marktes, da es aus diesem Jahr ein eindeutiges Zeugnis gibt: Auf dem Boden einer 19 Zentimeter langen, ovalen und mit Blumen bemalten Spanschachtel aus Nadelholz, die das Germanische Nationalmuseum besitzt, wurde die mit schwarzer Tinte bemalte Inschrift gefunden „Regina Susanna Harßdörfferin von der Jungfrau Susanna Eleonora Erbsin (oder Elbsin) zum Kindles-Marck überschickt 1628." Die Schachtel mit originalem Inhalt gilt derzeit als der älteste Nachweis.
Aus dem Jahr 1737 gibt eine Liste Hinweise auf die Marktbeschicker. Sie zeigt, dass fast alle Nürnberger Handwerker in der Budenstadt vertreten sind. 140 Personen waren damals berechtigt, Waren anzubieten. 2001 stehen auf dem Christkindlesmarkt 186 Verkaufsstände, die von 203 Marktbeschickern betrieben werden.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verlor der Markt an Bedeutung, während ihm 1933 eine besonders verklärend romantische Note verliehen wurde mit einem neuen Zeremoniell, bei dem ein Rauschgoldengel einen Prolog spricht, Kinderchöre singen und Kirchenglocken läuten.
Der Prolog wurde von dem Dramaturgen Friedrich Bröger, dem Sohn des Arbeiterdichters Karl Bröger geschrieben. Der Text, wie auch das Eröffnungszeremoniell sind nahezu unverändert.
1948 wurde in der völlig zerstörten Altstadt der erste Markt nach dem Krieg abgehalten - mit leicht verändertem Prolog, der auf die Trümmer ringsum Bezug nahm. Das erste Christkind (also kein Rauschgoldengel) mimte die Nürnberger Schauspielerin Sophie Keeser, die diese Rolle bis Anfang der 60er Jahre innehatte. Auch das zweite Christkind war Schauspielerin, Irene Brunner wirkte bis 1969.
Ab diesem Zeitpunkt wird das Christkind alle zwei Jahre von der Nürnberger Bevölkerung gewählt. Dazu werden über die ortsansässigen Zeitungen Nürnbergerinnen, die zwischen 16 und 19 Jahre alt, nicht unter 160 Zentimeter groß und absolut schwindelfrei sind, aufgefordert, sich mit Bild zu bewerben. Die Bewerbungen erscheinen in den Tageszeitungen und die Nürnberger nennen ihr Wunschchristkind. Bei einer Endauswahl entscheidet eine Jury unter den letzten sechs Bewerberinnen.
Das Christkind hat im Dezember keine Minute Ruhe, denn es gilt, mehr als 130 Termine in Altersheimen, Kindergärten und sonstigen karitativen Einrichtungen zu absolvieren. Das blondgelockte (Perücke!) Mädchen ist auch in der Bundesrepublik „on tour", besucht andere Weihnachtsmärkte und ist so „Werbeträgerin" für den Nürnberger Markt.
Die Stadt Nürnberg hat sich als erste Stadt in der Bundesrepublik dazu entschlossen, auf ein umweltfreundliches Mehrwegsystem umzustellen. Die Tassen tragen in jedem Jahr ein neues Motiv und sind nicht zuletzt deshalb ein beliebtes Sammelobjekt geworden.

Chronik des Christkindlesmarktes

1545: Der Reformator Martin Luther lässt seine Kinder vom "Heiligen Christkind" bescheren. Sie hatten zuvor ihre Gaben vom Heiligen Nikolaus bekommen. 

1564: Der Nürnberger Patrizier Endres Imhoff trägt unter dem Datum vom 22. Dezember Ausgaben für Geschenke ein, die er noch ein Jahr zuvor erst nach Weihnachten gemacht hat. Solche Mitteilungen legen die Vermutung nahe, dass das Nürnberger Patriziat ab 1564 an Weihnachten statt Neujahr beschert.

1610: Mit einem Ratserlass vom 22. Dezember werden unzüchtige Scherzartikel beschlagnahmt, die ein Drechsler zum "Kindleinsbescheren" angeboten hatte.

1616:  In der Chronik von St. Sebald beklagt Pfarrer Lüder am Heiligen Abend, dass er die Vesper oder Nachmittagspredigt ausfallen lassen musste, weil "wegen Einkaufens zum Kindleinsbescheren keine Leut vorhanden gwest".

1628:  Eine alte, mit Seidensträngen gefüllte Spanschachtel, die im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt wird, trägt auf dem Boden folgende Inschrift: "Regina Susanna Harßdörfferin von der Jungfrau Susann Eleonora Erbsin (oder Elbsin) zum Kindlesmarck überschickt 1628". Es handelt sich dabei um die derzeit älteste bekannte Erwähnung des Nürnberger Christkindlesmarktes.

1697:  Der Altdorfer Universitätsprofessor Christoph Wagenseil nennt in der zweiten, lateinisch gedruckten Stadtgeschichte "De ... civitate Norimbergensis commentatio..." den Christkindlesmarkt. Er bezeichnet ihn als "Christkeindleinsmarck". 

1729:  Der Rat lehnt den Vorschlag eines Goldschmieds ab, eine Lotterie auf dem Markt zu veranstalten. Damit sollte dem Niedergang dieser Messe zur Weihnachtszeit entgegen gesteuert werden.

1737:  Eine Liste gibt wertvolle Hinweise auf die Marktbeschicker. Sie zeigt, dass fast alle Nürnberger Handwerke in der Budenstadt vertreten sind. 140 Personen waren damals berechtigt, Waren feilzubieten.

1898:  Der Christkindlesmarkt muss seinen angestammten Platz auf dem Hauptmarkt verlassen. Er wird auf die Insel Schütt verlegt.

1919:  Ein neuer Standort tut sich im Platz vor dem Gewerbemuseum für den Christkindlesmarkt auf.

1923:  Der Markt wird weiter verdrängt. Die Händler müssen in die Räume des gerade leer stehenden Verkehrsmuseums umziehen.

1933:  Der Christkindlesmarkt kehrt auf seinen angestammten Platz am Hauptmarkt zurück. Er wird am 4. Dezember mit einem neuen Zeremoniell eröffnet. Ein Nürnberger Rauschgoldengel spricht einen Prolog, Kinderchöre singen, Kirchenglocken läuten.

1948:  In der zerstörten Altstadt wird der erste Markt nach dem Krieg abgehalten. Das Eröffnungszeremoniell bleibt fast unverändert, nur spricht das Christkind statt des Rauschgoldengels den Prolog.

1973:  Der Stadtrat beschließt, die Eröffnung des Christkindlesmarktes von 4. Dezember (Barbaratag) auf den letzten Freitag vor dem 1. Advent vorzuverlegen. Er will damit erreichen, dass sich der Besucherstrom besser verteilt. Die Zahl der Gäste in der Budenstadt hatte die Rekordmarke von einer Million Menschen überschritten.

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